Die Blackbox

Alfred Boisseau, Der Fotograf (1895) Blackboxen (blackboxing): Das Un­sicht­bar­machen von Arbeit durch ihren Erfolg. […] Ur­sprüng­lich be­zogen auf Wissen­schaft und Tech­nik, wird der Be­griff hier auf ästhe­tische Arte­fakte aus­ge­dehnt.

In: Renate Grau, Ästhe­ti­sches Engineering: Zur Ver­brei­tung von Belle­tri­stik im Lite­ra­tur­betrieb. Transcript, 2006.

Der Begriff der Black­box, wie ihn die Psycho­lingu­isten ver­wenden, ent­stammt den Anfängen der Foto­gra­fie: In dem 'schwar­zen Kas­ten' wurde auf eine für den Nicht­einge­weih­ten myste­ri­öse Weise Licht auf ein Trä­ger­medium, die Foto­platte, ge­bannt; das Im­ma­te­ri­elle ver­wandel­te sich in etwas Fass­bares, ohne dass der visu­elle Ein­druck ver­loren ging. Die Psycho­lingu­istik ent­lieh den Ter­mi­nus, um jenen Vor­gang im mensch­lichen Ge­hirn zu be­schrei­ben, der die Wör­ter der Spra­che in bild­liche Vor­stellung ver­wandelt und um­ge­kehrt.

Eine gelun­gene Über­setzung er­for­dert einen zwei­fachen Blackbox-Vor­gang: die De­kodie­rung sämt­licher im Ori­ginal­text vor­liegen­der In­for­ma­tion in ein men­tales Bild und die an­schließen­de er­neute Kodie­rung die­ses Bil­des in der Ziel­sprache. Nur auf die­se Wei­se lässt sich eine von der Aus­gangs­sprache los­ge­löste, akzent­freie Über­setzung er­stel­len. Das Er­geb­nis ist ein Text, der sich liest, als sei er von vorn­herein in der Ziel­sprache ab­ge­fasst wor­den - ein An­spruch, den ich an jede mei­ner Über­setzun­gen stelle.